1. August 2018 ist Welterschöpfungstag
Der Welterschöpfungstag (Earth Overshoot Day) markiert jenes Datum im Jahr, ab dem die jährlich nachwachsenden Rohstoffe und Naturleistungen der Erde vollständig konsumiert sind. Ab diesem Tag lebt die Menschheit auf Öko-Pump. Der 1. August ist der bisher früheste Zeitpunkt seit Beginn der Berechnung der Ökologischen Verschuldung durch das Global Footprint Network. Die global verfügbare Biokapazität (das Potenzial an Naturleistungen) wird dabei dem Ökologischen Fußabdruck der Menschheit (der Inanspruchnahme der Naturleistungen) gegenüber gestellt. Ist die Beanspruchung größer als der Nachschub, spricht man von einem Overshoot.
„Dieses Datum ist kein abstraktes Konstrukt. Die Folgen der Übernutzung zeigen sich schon deutlich im Schwinden der Wälder und ihrer Artenvielfalt, den kaputten Böden, den leergefischten Meeren und allem voran im Anstieg des CO2 in der Atmosphäre, die uns den Klimawandel beschert“ erinnert Reinhard Uhrig von GLOBAL 2000 an den Ernst der Lage.
“Unsere aktuelle Wirtschaftsweise betreibt ein ökologisches Pyramidenspiel mit unserem Planeten“, warnt Mathis Wackernagel, Mitbegründer des Global Footprint Network. „Um die Gegenwart zu befeuern, borgen wir Ressourcen aus der Zukunft. Wie jedes Pyramidenspiel kann das nur für einige Zeit funktionieren.“
Für Österreich kam der Overshoot Day sogar noch deutlich früher! Mit unserem Lebensstil war der faire Anteil der globalen Naturressourcen bereits am 13. April aufgebraucht. Schon seit diesem Tag konsumieren wir zu Lasten der Benachteiligten drei Viertel der Weltbevölkerung, ab heute nun auch auf Kosten der Natur und aller zukünftigen Generationen.
Helene Glatter-Götz, WWF Expertin für Nachhaltige Ernährung, erklärt: „Rund ein Viertel unseres ökologischen Fußabdruckes sind auf unsere Ernährung zurückzuführen. Den Großteil davon macht dabei der Verzehr von tierischen Produkten wie Eier, Milch und Fleisch aus. Insbesondere Fleisch beansprucht nicht nur enorme Flächen im In- und Ausland, sondern heizt auch den Klimawandel ordentlich an“.
Würde der Welterschöpfungstag jedes Jahr nur um 5 Tage zurück verschoben, könnte die Menschheit im Jahr 2050 wieder mit den Naturressourcen unseres einen Planeten auskommen. Ein solcher globaler 5-Tage Schritt könnte schon durch Reduktion des Fleischkonsums um 50% erreicht werden, oder durch Verringerung der CO2 Emissionen um nur 3%.
Eine Halbierung der anthropogenen CO2 Emissionen würde sogar einen 93 Tage Sprung in Richtung Jahresende bringen!
In Österreich bräuchte es jedes Jahr einen 8 Tage Schritt, um bis 2050 aus dem ökologischen Defizit zu rutschen.
Da wir hierzulande viel mehr Ressourcen vergeuden, lässt sich hier auch rascher einsparen. Allein bei Verzehr von Fleisch- und Milchprodukten hinterlässt der durchschnittliche Österreicher mehr Footprint als einem Menschen in Bangladesch, Pakistan, Mozambique, Malawi oder einem Dutzend anderer armer Länder für alle Lebensbereiche zusammen zur Fügung stehen.
„Wir essen derzeit ohnehin drei Mal mehr Fleisch, als das Gesundheitsministerium empfiehlt“, bestätigt Glatter-Götz. „Deshalb muss unsere Devise lauten: weniger und dafür besseres Fleisch! Zudem ist für Konsumentinnen und Konsumenten im Geschäft kaum nachvollziehbar, wie groß die Umweltbelastungen von Schnitzel & Co sind – hier braucht es dringend mehr Information und Transparenz“. Halb so viel Fleisch und tierische Produkte wären nicht nur gesünder, sondern würden den Overshoot Day auch für Österreich sofort um 5 Tage zurück verschieben.
„Ein Erhöhen der Hackschnitzelquote oder die Beimischung von Agrosprit ist dagegen kein positiver Beitrag!“, warnt Wolfgang Pekny von der Plattform Footprint. „Das Versprechen der Bioökonomie, alles Material und Treibstoffe durch nachwachsende Rohstoffe bereitzustellen, klingt zwar vernünftig und verlockend. Leider ist die verträglich verfügbare Biomasse sehr begrenzt und schon heute kann der Bedarf an Holz und agrarischer Biomasse nicht ohne Übernutzung der globalen Wälder, ohne Zerstörung der Böden, ohne Vergiftung des Grundwassers und Vernichtung von Artenvielfalt bereitgestellt werden! Maßnahmen zum Erreichen der Klimaziele und den damit verbundene CO2-Reduktion müssen deshalb vorwiegend auf die Reduktion des Verbrauchs und auf technogene erneuerbare Energie setzen, da ein Ersatz von fossiler Energie durch Biomasse den Ökologischen Fußabdruck sogar noch erhöht“, erklärt Pekny .
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace ruft anlässlich des Welterschöpfungstags dazu auf, das Auto öfter stehen zu lassen: „Verkehr ist einer der größten Klimakiller. Wenn wir die Hälfte des Personen- und Güterverkehrs in Österreich von der Straße auf die Schiene verlagern, verschiebt sich der Welterschöpfungstag um fünf Tage nach hinten“, erklärt Greenpeace-Sprecher Adam Pawloff.
Greenpeace fordert daher moderne, regional zugeschnittene Verkehrskonzepte und warnt davor, auf falsche Lösungen zu setzen: „Treibstoffe aus Pflanzen, sogenannte Agrotreibstoffe, sind keine Lösung. Sie verursachen rund doppelt so viele Treibhausgase wie herkömmlicher Diesel. Werden sie aus Palmöl hergestellt, sind sie sogar drei Mal klimaschädlicher. Daran ändern auch Palmöl-Zertifikaten nichts“, meint Pawloff. Für die Produktion von Palmöl werden riesige Regenwaldflächen zerstört. Jede Minute gehen beispielsweise in Indonesien – Hauptproduzent von Palmöl – eine Fläche von mehr als zwei Fußballplätzen für Plantagen verloren. Mit der Abholzung der Regenwälder werden gleichzeitig die Lebensräume von Tieren wie den Orang Utans zerstört – mittlerweile sind alle drei Orang-Utan Arten in Indonesien gefährdet.
Daher spricht sich Greenpeace ganz klar dagegen aus, Palmöl und andere wertvolle Pflanzenöle als Treibstoffe für Autos und LKWs zu verheizen. Stattdessen gilt es, E-Mobilität zu fördern, Radwegenetze auszubauen und ein attraktives, leistbares Angebot für den öffentlichen Verkehr zu schaffen.
Ein Ende des Ökologischen Overshoots – die Klimaziele und das bewahren der Biodiversität sind ein wichtiger Teil davon- ist ein unbedingt notwendiges Ziel für die globale Politik. Leider ist diese zentrale Herausforderungen in den politisch beschlossenen SDGs (sustainable develpoment goals) nur schwach vertreten. Viele der gutgemeinten Ziele sind – im herkömmlichen ökonomischen Wachstums-Paradigma verwirklicht – in ihren Konsequenzen widersprüchlich und würden die ökologische Verschuldung weiter vergrößern. Während es sicher notwendig ist, den Menschen in den weniger entwickelten Ländern echte Chancen und technische und praktische Hilfestellungen zu geben, erstreckt sich die Verantwortung der Ressourcen-intensiven Volkswirtschaften auch in eine zweite Richtung: den eigenen Fußabdruck dramatisch zu reduzieren, um Platz zu schaffen, für drei Viertel der Menschheit und den Rest der Schöpfung.
„Was uns viel mehr fehlt als Ressourcen und Energie, ist die Phantasie, uns eine bessere Welt vorzustellen!“ wiederholt Pekny unermüdlich. „Das Gute Leben für Alle ist möglich! Selbst 10 Milliarden Menschen könnten mit unserer Erde auskommen und dabei gut leben, wenn sie sich klug genug anstellen und alles Know-How, alles Wissen über Effizienz und Suffizienz, über Kooperation und Solidarität nutzen. Das werden freilich nicht 10 Milliarden Einsiedler und Schrebergärtner sein, sondern 10 Milliarden WeltbürgerInnen, die bereit sind, die Art und Weise zu ändern, wie sie miteinander und mit der Natur umgehen, und wie sie sich auf dieser Erde verhalten, beim Wirtschaften und in der Politik, in der Familie und in den Unternehmen, in der Gemeinde und in der Gesellschaft.