Ökobewegung – Bewegung ohne Ziel?
Es waren einmal tapfere junge Frauen und Männer, die haben ihr Leben eingesetzt, um das anderer Kreaturen zu schützen. Sie haben sich einsperren lassen, weil sie giftspeiende Abwasserrohre zubetonierten oder Bäume vor dem Roden retten wollten, sie sind vor Gericht gezogen, um die Interessen der Schwächeren und Machtlosen zu vertreten. Sie haben große Konzerne in die Knie gezwungen, internationale Konferenzen gefordert, Gesetze verändert, Völkerrecht geschrieben. Sie haben National Parks in allen Winkeln der Erde geschaffen und sie haben Gentechnik aus unserer Nahrung verbannt. Sie haben die Welt verändert und doch steht die Welt noch immer und sogar näher am Abgrund. Was ist falsch gelaufen?
Zum einen sind viele klassische Probleme tatsächlich gelöst worden. Der saure Regen, das Waldsterben, die verschmutzten Flüsse sind bei uns fast verschwunden, Mülltrennung ist akzeptiert und Bio-Produkte florieren. Zum anderen hat sich die Welt rasant verändert, nicht nur zum Guten. Sie ist kleiner geworden, globaler, brutaler, mit vielen neuen Problemen, sozialer, wirtschaftlicher, geopolitischer und ökolgischer Natur. 30 Jahre Einsatz waren trotzdem nicht vergeblich. Viel Schönheit und Vielfalt wäre unwiederbringlich verloren gegangen, viel mehr Unrecht wäre geschehen, gegen Mensch und Natur.
Aber damit konnten wir nur den Fuß in der Tür halten. Der Kampf um die Zukunft hat gerade erst begonnen. Er wird nicht um Recyclingpapier oder Glasflasche geschlagen, auch nicht um Feinstaubgehalt oder Robbenfelle. Er wird zwischen den wenigen, allmächtigen globalen Systemgewinnlern und den noch wenigen, systemverändernden Kräften der Zivilgesellschaft geschlagen werden, deren stärkste Speerpitze die Umweltbewegung dereinst gewesen war und auch wieder werden könnte. Denn nichts sollte uns näher liegen als das Überleben unserer Kinder.
Aber durch gezielte, geschickte Propaganda haben Wirtschaft und Politik „Nachhaltigkeit“ und die Ideen von Rio gekapert. Heute darf sogar Wachstum und Gewinn als „nachhaltig“ gelten. Eine unglückliche „grüne“ Politik hat ökologische Anliegen zu Minderheitenthemen verkommen lassen. Und die Massenmedien konstatieren eine Weltuntergangs-Müdigkeit und wollen ihren LeserInnen wohl eher ihren Anzeigenabteilungen solch Unerfreuliches nicht mehr zumuten.
Eine zunehmend wehleidige, auf Eigensicht konzentrierte Umweltbewegung hat all das stumm zugelassen, sich brav angepasst. Und liefert heute, was Politik und Medien gerne hören: Ein eintöniges für die Mächtigen ungefährliches Blabla.
Daniel Hausknost, ein Insider der Szene, bringt auf den Punkt, worauf es hinausläuft:
Kann man im Falle der Ökologiebewegung überhaupt noch von einer Bewegung sprechen? Oder ist diese nicht vielmehr, zumindest zu gewissen Teilen, eine gut institutionalisierte und festgefressene Interessensgemeinschaft, die sich statisch in sich selber zurückgezogen hat und dabei ihre Ziele aus den Augen verloren hat? Wenn dies zutrifft, wie kann dann eine Öffnung und Neuorientierung dieser „erstarrten Bewegung“ bewirkt werden? Genügt es Partnerschaften mit anderen Organisationen einzugehen und Diskussions- Plattformen zu schaffen?
Vielleicht wäre es an der Zeit sich, ua. wieder ins Gedächtnis zu rufen, dass die Ökologie nicht isoliert von anderen sozialen Themen denkbar sein kann. Die Popularität des Umweltschutzes könnte dann als Quelle von Ressourcen zur Schaffung von Projekten und Infrastrukturen dienen, die Grundlage für Aktionen sein könnte, die weit über auf die Ökologie beschränkte Themen hinausgehen. Damit wäre es wieder möglich, Ökologie als einen „Teil des Ganzen“ zu verstehen (und nicht nur als ganzer Teil!), um diese Bewegung doch noch aus ihrer Isolierung und Erstarrung zu befreien. Wenn wir noch von der Ökologiebewegung sprechen, dann kann und darf sich diese nicht mit einem Nischendasein um ihrer selbst willen zufrieden geben. Die planetare Notlage, die sich in Erderwärmung, sozialer Misere, dem Waldsterben, der Brandrodung des Amazonas, der Dezimierung der biologischen Vielfalt, usw. äußert, zeigt auf, dass wir uns nicht mehr mit dem Luxus unserer kleinen „umweltkonformen“ Vorgärten begnügen können. Es bedarf vielmehr einer weitgreifenden Bewusstwerdung von Problematiken und Themen, die nicht immer einfach und simpel sind, mit anderen Worten: Es bedarf des Auftauchens eines Diskurses, der die ganze Komplexität der ökologischen und sozialen Problematiken verständlich in den öffentlichen Raum rückt!
Weg ist das Ziel
Wo will die Ökologiebewegung hin? Was ist das Politische in dieser Bewegung? Daniel Hausknost stellt in seinem neuen Buch „Weg ist das Ziel“ Fragen, die auf eine Neudefinition der Ökologiebewegung hinauslaufen.
Anhand einer schrittweisen Dekonstruktion ökologischer politischer Diskurse zeigt er auf, dass die Ökologiebewegung sowohl ihre Ziele wie auch die politischen Inhalte verloren hat. Gegenwärtig begnügt sie sich mit einem Nischendasein, um den Mikrokosmos einer gewissen „Sozialen Gruppe“ zu erhalten.
Daniel Hausknost
Weg ist das Ziel
Zur Dekonstruktion der Ökologiebewegung
LIT Verlag