Am 2. August 2017 ist Earth Overshoot Day!
In knapp sieben Monaten hat die Menschheit damit das gesamte Potential an globalen Umweltleistungen verbraucht, die für ein Jahr zur Verfügung stehen würden. Für den Rest des Jahres zehren wir von den Vorräten der Zukunft und vernichten dabei unwiederbringliches Naturkapital.
Absurder Weise läuten keine globalen Alarmglocken, kein statistisches Amt warnt die Regierungs-Chefs, kein G20-Ökonom schlägt vor, leiser zu treten und Österreichs Regierende überlegen ernsthaft, weiteres Wachstum zum Staatsziel zu erklären!
Tatsächlich würde uns ein neues Staatsziel wohl tun:
„Ein gutes Leben für alle, ermöglicht mit einem jeweils fairen Ressourcen-Anteil der Welt“.
Das wäre genau genommen nur eine verfassungsmäßige Verankerung der Goldenen Regel, global gedacht (Ökologischer Kategorischer Imperativ).
Unsere Freiheit, einen beliebig ressourcenintensiven Lebensstil zu wählen, endet dort, wo sie die Freiheit anderer ErdenbürgerInnen beschneidet, ein menschenwürdiges Leben zu leben – oder überhaupt zu überleben!
Am besten gleich in Form einer neuen Europäischen Verfassung als Muster für eine „Hausordnung im Raumschiff Erde“:
Europa will im Jahr 2050 eine zukunftsfähige Gesellschaft sein, die ihren BürgerInnen ermöglicht, zufrieden und in Frieden mit allen Mitmenschen und der Natur zu leben und die ihre Bedürfnisse innerhalb des ihr fairer Weise zustehenden Anteils an Planet Erde befriedigen kann. Mit global verallgemeinerbaren Lebens- und Wirtschaftsweisen agiert Europa als Vorreiter für eine friedliche und lebensfreundliche Welt für Alle.
Solche Visionen mögen in Anbetracht von kleinlicher Neuwahl-Polemik, Flüchtlingskrise, Brexit und politischen Eskapaden a la Erdogan und Trump völlig unrealistisch erscheinen und als utopisch abgetan werden.
Und doch, ohne das gemeinsame Ziel, mit einer Erde auskommen zu wollen, kann es zu keiner friedvollen Entwicklung kommen.
Das Erreichen der SDGs (Sustainable Development Ziele) braucht neben ökonomischer Fairness auch ökologische Balance. Ohne friedliche Koexistenz von Mensch und Natur bleibt auch der Frieden zwischen den Menschen gefährdet.
Für Österreich erfordert das Ziel eines global fairen Wirtschaftens eine Reduktion der Klimagas-Emissionen von heute über 13 Tonnen auf unter 2 Tonnen pro Kopf (- 85%) und zugleich eine Reduktion des Ökologischen Fußabdruckes von heute 6,1 gha pro Kopf auf etwa 1,2 gha (- 80%).
Beides ist möglich und wird die Lebensqualität der allermeisten Menschen sogar erhöhen.
Allerdings erfordert das Gute Leben mit einem kleinen Fußabdruck massive Änderungen in der Art und Weise, wie wir wirtschaften, wie wir produzieren und wie und was wir konsumieren.
Zur Berechnung des EOD (Earth Overshoot Day)
Das Global Footprint Network, ein internationaler Thinktank mit Sitz in Oakland, Kalifornien berechnet jährlich das auf der Erde verfügbare „Natur-Einkommen“ in Form der natürlichen Ressourcen die sich in einem Jahr erneuern können (Biokapazität) und vergleicht es mit den „Ausgaben“ in Form des jährlichen Ökologischen Fußabdrucks, also der tatsächlichen Inanspruchnahme der Naturleistungen der Menschheit, die mit Hilfe von zehntausenden Datensätzen pro Land erhoben werden.
Seit Anfang der 70er Jahre überschreitet die Menschheit das jährliche Öko-Budget von Planet Erde, jedes Jahr ein wenig mehr.
Da globale statistische Daten immer erst einig Jahre später vorliegen, werden zur Abschätzung des aktuellen EODs die seit damals bekannten Trends fortgeschrieben und hochgerechnet. („Nowcasting“ – Die aktuell verfügbaren Daten beziehen sich auf das Jahr 2013)
Entsprechend gibt es immer gewisse Unschärfe, die erst später, beim Vorliegen genauer Zahlen korrigiert werden können. Dazu kommen methodische Veränderungen bei der Berechnung der Footprints. Die früheren EOD Tage können deshalb nicht als Maß für die Entwicklung genommen werden.
So wurde 2016 der EOA am 8. August „zelebriert“. Aktuelle Abschätzungen lassen ihn rückblickend eher auf den 3. August fallen.
Korrigiert man den jeweils „zelebrierten“ Welterschöpfungstag mit den aktuellsten verfügbaren Daten und Methoden, dann erscheint der Trend sogar etwas versöhnlicher, weil bereits abgeflacht.
Globale Trends:
Global ist die verfügbare Biokapazität zwischen 1990 und 2013 um etwa 8% gestiegen, die Bevölkerung zugleich allerdings um 35% gewachsen.
Der Footprint pro Kopf ist in diesem Zeitraum zwar „nur“ um etwa 7% gewachsen, (von 2,68 gha/cap auf 2,87 gha, die verfügbare Biokapazität pro Kopf ist allerdings um fast 19% gesunken. (von 2,1gha auf 1,7 gha) wodurch das Defizit deutlich größer wurde.
Der EOD ist entsprechend vom 13. Oktober 1990 auf den 5. August 2013 gewandert.
Der Zusammenhang mit der Klimadebatte
Weltweit macht der durch CO2 bedingte Anteil des Ökologischen Fußabdrucks („carbon-land“) bereits über 50% aus, in Österreich sogar zwei Drittel!
Das heißt, eine deutliche Reduktion des Fußabdruckes ist ohne wesentliche Reduktion der CO2 Emissionen gar nicht erreichbar. Entsprechend sind das Erreichen der Klimaziele und „End Ecological Overshoot“ eng miteinander gekoppelt und die allermeisten Maßnahmen wirtschaftlicher und politischer Natur wären kongruent. Dies könnte große Synergien freisetzen, wäre da nicht die irrige Bemessung der CO2 -Emissionen nach dem Territorialprinzip, wie sie in den internationalen Vereinbarungen des Kyoto-Protokolls vorgesehen sind.
Bei der territorialen Betrachtungsweise werden nicht die durch den Konsum eines Landes tatsächlich verursachten Emissionen sondern nur die im jeweiligen Land entstandenen Emissionen in Betracht gezogen. Dadurch kommt es zu mehr oder weniger großen Verzerrungen. China etwa exportiert einen Teil seiner Emissionen in Form der Produkte (Angaben gehen von bis zu einem Drittel aus), andere Länder, etwa Österreich, importieren mehr „verstecktes CO2“ als sie selbst verursachen.
Für eine sinnvolle Beurteilung der Klimafreundlichkeit einer Gesellschaft muss unbedingt ein konsum-bezogener Ansatz gewählt werden. Dieser erhebt die tatsächlichen Emissionen, addiert alle mit den Importen assoziierten Emissionen und subtrahiert die mit den Exporten an andere weitergegeben Emissionen.
Der Ökologische Fußabdruck ist genau ein solch konsum-bezogenes Maß.
Für das Jahr 2011 ergab sich dabei folgendes Bild: Zum Fußabdruck der nationalen Produktion von 4,57 gha/Person wird der Fußabdruck der Importe von 6,2 gha/Person addiert, wovon der Fußabdruck der Exporte von 5,64 gha/Person abgezogen wird. Ergibt in Summe den zu diesem Zeitpunkt gültigen Konsum-Fußabdruck von 5,13 gha/Person.
Auch in der Klimadebatte wird gerade damit begonnen, die aussagekräftigere Konsum-Betrachtung ins Blickfeld zu bekommen. Zum einen wird dies die Klima-Bilanz Österreichs um die Verzerrungen des Tanktourismus(1) bereinigen, zum anderen aber die signifikanten Mengen an verstecktem CO2 in den Importprodukten erhöhen. Eine erste Abschätzung mit Hilfe des entsprechenden CO2-Anteils im Ökologischen Fußabdruck Österreichs zeigt, dass die konsumbezogenen CO2 Emissionen um 30-45 % höher liegen als die für das jeweilige Jahr vom Umweltbundesamt angegebenen territorialen Emissionen.(2)
Weitere Trends in Österreich:
Im Gegensatz zur globalen Entwicklung ist die Biokapazität in Österreich zwischen 1990 und 2013 auch absolut um etwa 3,5% gefallen! Im selben Zeitraum ist die Bevölkerung um 10,3% auf 8,47 Mio angewachsen, wodurch die pro Person zur Verfügung stehende Biokapazität um 14% zurückgegangen ist. (von 3,4 gha auf 3,0 gha)
Zugleich ist der Fußabdruck pro Kopf von 5,32 im Jahr 1990 auf 6,11 im Jahr 2013 um 15% gestiegen.
Dieser vergrößerte Footprint bei gleichzeitig geringerer Verfügbarkeit von Biokapazität führte zu einer deutlichen Vergrößerung des ökologischen Defizits.
Der für den Lebensstil der ÖsterreicherInnen geltende Overshootday hat sich vom 23. Mai im Jahr 1990 auf den 11. April vorverschoben.
Trotzdem ist auch ein kleiner „positiver“ Trend zu entdecken: Am Größten war der Footprint in Österreich in den Jahren 2006-2008 mit durchschnittlich 6,4 gha/Kopf. Im ökonomischen „Krisenjahr“ 2009 kam es zu einem messbaren Rückgang auf unter 6 gha, dann wieder „Erholung“ auf 6,4 gha.
Ab 2011 bis 2013 war wieder ein leichter Rückgang (ca. 6%) zu erkennen, dessen Fortsetzung allerdings nach aktuellsten Trends der CO2e Emissionen zu bezweifeln ist.
Unabhängig von diesen minimalen Änderungen könnte von wirklich „Nachhaltiger Entwicklung“ erst gesprochen werden, wenn die allgemeine Lebenszufriedenheit der BürgerInnen weiter hoch bleibt oder besser sogar weiter wächst, zugleich der Fußabdruck aber merklich sinkt.
Schon mit 4 Prozent Footprint-Reduktion pro Jahr, ein ehrgeiziges aber durchaus realisierbares Ziel, könnte der Footprint in nur 40 Jahren auf ein global verträgliches Maß von unter 1,2 gha pro ErdenbürgerIn fallen.
Sowohl Footprint als auch Lebensfreude wären heute längst messbar und die bisher reichlich erratische Nachhaltigkeitspolitik könnte durch gezielte Evaluierung von Maßnahmen rasch deutlich verbessert werden.
1) Wie absurd die Berechnung nach Kyoto-Protokoll werden kann, zeigt auch der Umgang mit Treibstoffen. Dort wird nicht die tatsächlich emittierte Menge an Klimagasen erhoben sondern rechnerisch aus der getankten Menge an Treibstoffen berechnet. Da Österreich weniger Mineralölsteuer und damit billigere Treibstoffe als die Nachbarländer anbietet, werden signifikante Mengen Benzin und Diesel im Transit- und Grenzverkehr von Nicht-Österreichern konsumiert, aber den „Österreichischen Emissionen“ zugerechnet.
2)
Österreich | 1997 | 2001 | 2004 | 2007 | 2011 | 2013 |
Mt CO2e Konsum | 104,6 | 109,8 | 119,7 | 122,2 | 123,3 | 115,6 |
Mt CO2e territorial | 80,0 | 81,5 | 90,0 | 87,1 | 82,7 | 80,2 |